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Die letzten Tage… Teil I

Kurz vor Sonnenaufgang lag der Wald still und kühl, umhüllt von einem trügerischen Frieden. Der Rauch eines entfernten Lagerfeuers stieg in leichten Schwaden auf, und ein großer Mann trat langsam aus einem Zelt, sein Schatten langgezogen und dunkel. Noch einen Moment zögerte er, drehte sich zurück ins Zelt, murmelte ein paar leise Worte, dann trat er endgültig hinaus und richtete seinen Blick auf den Wald. Ein Handbeil baumelte an seinem Gürtel, das Einzige, was ihn begleitete, während er lautlos in Richtung der Bäume ging.

Trotz seiner stattlichen Größe bewegte er sich behände, seine Schritte kaum hörbar auf dem kalten Waldboden. An der Baumgrenze angekommen, hielt er inne und ließ seinen Blick aufmerksam über die Szenerie schweifen, sein Ausdruck wachsam, die Haltung gespannt – ein Krieger, geprägt von Jahren im Dienst des Überlebens. Für einen Moment verweilte er regungslos, während der Himmel im fahlen Licht der Morgenröte allmählich in gedeckten Farben zu leuchten begann. Doch die Ruhe trügte. Etwas nagte in ihm, ein ungutes Gefühl, das ihn unwillkürlich zurück zum Lager schauen ließ.

Als er sich zum Gehen wandte, durchbrach ein Geräusch das Schweigen des Waldes: Ein Ast brach, gefolgt vom dumpfen Geräusch schwerer Schritte. Sein Griff festigte sich um das Beil, seine Augen fixierten die Schatten zwischen den Bäumen, wachsam und bereit. Das Geräusch kam näher, vielleicht fünfzig Schritte entfernt.
Lautlos setzte er sich in Bewegung, schlich vorwärts wie eine Raubkatze, die Sinne bis zum Zerreißen gespannt. Im Unterholz blieb er plötzlich stehen. Vor ihm kniete eine Gestalt am Boden, halb an einen Baum gelehnt, von einem zerschlissenen Reisemantel verhüllt. Die Person stützte sich schwer atmend mit einer Hand am Stamm ab. Ohne ein Geräusch zu verursachen, umkreiste der Krieger die Gestalt, sein Blick hart und misstrauisch, während er immer näher herankam. Ein Hustenanfall erschütterte die fremde Gestalt, die schwer atmete und Blut spuckte, als sie fast den Halt verlor. Schließlich trat der Krieger, das Beil noch immer in der Hand, vor und sprach mit gedämpfter Stimme: „Ihr seid spät.“ Die Gestalt hob ihren Kopf, und unter der Kapuze kam ein erschöpftes, gezeichnetes Gesicht zum Vorschein, mit Augen, die von Erschöpfung und Schmerz getrübt waren. Mühsam zog der Fremde die Kapuze zurück und antwortete mit rauer Stimme: „Verzeiht, Valandor… ich wurde aufgehalten. Da war… ein kleines Problem.“ Ein bitteres Lächeln, begleitet von einem neuen Hustenanfall, bei dem er abermals Blut spuckte.

Er sank erschöpft an den Baum zurück. Valandor trat vor, die Sorge in seiner Miene nur schwer zu verbergen. „Was ist geschehen? Wer war das?“ Der Verwundete winkte ab, schob eine Hand unter seinen Umhang und zog ein in Tücher gewickeltes Bündel hervor. „Das ist nicht wichtig, Valandor. Mein Leben spielt keine Rolle. Nur das Buch zählt. Es muss zu Merenja gebracht werden.“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, doch sie trug eine Dringlichkeit, die Valandor keine Wahl ließ. Vorsichtig nahm Valandor das Bündel entgegen und hielt es fest, als sei es von unschätzbarem Wert. „Ein Heilkundiger ist im Lager. Können dir helfen, wir können dich versorgen…“ Doch der Verwundete schüttelte mühsam den Kopf. „Nein. Ihr müsst aufbrechen. Eine lange Reise liegt vor euch, und ihr werdet jede Kraft brauchen für das, was euch bevorsteht. Ich werde…“ Ein weiterer Hustenanfall unterbrach ihn, blutige Flecken bildeten sich an seinen Mundwinkeln. „Ich werde sie von euch wegführen.“ Valandor öffnete den Mund zum Protest, doch die Augen seines Freundes funkelten vor Entschlossenheit. „Wir können kämpfen, wir könnten es gemeinsam…“

„Valandor, bitte.“ Die Stimme des Verwundeten war fest, trotz der Schwäche, die ihn durchdrang. „Ihr würdet zu viel Zeit mit Kämpfen vergeuden. Merenja erwartet euch, und jede verlorene Stunde könnte alles zunichtemachen. Die Zeit ist gegen uns, mein Freund.“ Mit schmerzverzerrtem Gesicht zog sich der Verwundete auf die Beine, Valandor stützte ihn, half ihm hoch. „Wenn es jemanden gibt, der helfen kann, dann Merenja. Ein Grund mehr, sich zu beeilen. Geht jetzt… sie sind nicht weit hinter mir.“ Valandor wollte widersprechen, doch als er in die Augen seines Freundes sah, erkannte er, dass er sich entschieden hatte. Zögernd ließ Valandor seinen Arm los und nickte ihm zu, den Ausdruck eines tiefen, unausgesprochenen Abschieds im Blick. „Bis wir uns wiedersehen, mein Freund.“ „Bis wir uns wiedersehen.“ Der Verwundete nickte, ein Schatten eines Lächelns auf seinen blutverschmierten Lippen, bevor er sich schwerfällig abwandte und sich in den dunklen Wald zurückzog.